Arbeit zweiter Klasse? Immer mehr LeiharbeiterInnen in Österreich

Der Corona-Ausbruch im Postzentrum Hagenbrunn wirft ein Licht auf die Situation von LeiharbeiterInnen in Österreich. Ursprünglich als Instrument gedacht, um auf Auftragsspitzen in der Industrie flexibler reagieren zu können, zeigt eine Analyse, dass auf Leiharbeit immer öfter zurückgegriffen wird.

Die Zahl der LeiharbeiterInnen hat in den letzten 20 Jahren rasant zugelegt. Diese Entwicklung ist kaum auf die Bedürfnisse der Beschäftigten zurückzuführen. 7 von 10 LeiharbeiterInnen wünschen sich eine unbefristete Anstellung. Innerhalb der Eurozone liegt Österreich bei LeiharbeiterInnen mittlerweile im obersten Drittel.

Die Hälfte aller LeiharbeiterInnen sind weniger als 2 Monate durchgehend bei einer Leiharbeitsfirma beschäftigt. Im Vergleich zur Stammbelegschaft ist das mit deutlichen Lohneinbußen verbunden. Trotz EU-weit überdurchschnittlichen Arbeitsstandards kritisiert ein Drittel der Leiharbeitskräfte, dass sie schlechter als die Stammbelegschaft entlohnt werden.

Jede zehnte Leiharbeitskraft berichtet, dass ihr während des Krankenstands eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nahegelegt wurde. Viele LeiharbeiterInnen erscheinen aus Angst vor Arbeitsplatzverlust trotz Krankheit zur Arbeit: Auch das ist ein Grund für den Corona-Ausbruch im Verteilerzentrum.

Die Zahl der Leiharbeitskräfte (77% davon sind ArbeiterInnen) hat sich in den letzten 20 Jahren beinahe versechsfacht. Was für Firmen eine Pufferfunktion erfüllt, ist für die Betroffenen oft mit prekären Arbeitsbedingungen verbunden.

#Aufgetischt

Die Wiener Stadtregierung stellt allen Haushalten einen Gutschein aus, der in Gastronomiebetrieben gilt. Insgesamt nimmt die Stadt dafür EUR 40 Mio. in die Hand, 912.000 Haushalte werden davon begünstigt. Eine Idee, die Konjunkturbelebung ermöglichen soll und gleichzeitig sicherstellt, dass das Geld nicht weg gespart wird, argumentiert unser Chef-Ökonom Oliver Picek und verweist auch auf zahlreiche internationale Beispiele.

Wahlkampfschmäh oder unkomplizierte Soforthilfe? Corona-Gutscheine im internationalen Vergleich.

#Abgeflogen?

Am Wiener Flughafen tobt ein Arbeitskampf. Laudamotion, eine Tochter der Ryanair, will einen neuen Kollektivvertrag durchsetzen, der Gehaltseinbußen von bis zu 20 Prozent für die 300 Beschäftigten, 250 davon LeiharbeiterInnen, vorsieht. Das Bruttogehalt einer Flugbegleiterin läge bei EUR 1.000, d.h. EUR 824 netto im Monat. Unterschreibt die Gewerkschaft bis morgen, Donnerstag nicht, macht Ryan ihre Tochter Laudamotion dicht. Die Wirtschaftskammer hat bereits zugestimmt, die Gewerkschaft kämpft für die ArbeitnehmerInnen und verweist darauf, dass derzeit alle in Kurzarbeit gemeldet sind, der Zeitdruck also künstlich erzeugt ist. Der Preiskampf der Billigfluglinien wird nicht erst seit gestern auf dem Rücken der Angestellten ausgetragen, wie eine MOMENT-Recherche zeigt.

Am Flughafen Wien-Schwechat liefern sich Airlines einen beinharten Verdrängungswettbewerb. Das Personal bekommt das schon lange zu spüren.

#Abgebildet

Dass in politischen Talkshows in Radio & TV mehr Männer als Frauen zu Wort kommen, war in Österreich auch vor der Krise üblich. Corona hat das weiter verschärft, wie eine Auswertung des Momentum Instituts zeigt: Nicht einmal jeder dritte Gast in Polit-Sendungen war eine Frau.

#Ausgezahlt

Milliardenschwere Corona-Hilfspakete, "koste es, was es wolle" auf der einen Seite. Auf der anderen stehen viele Betroffene, bei denen noch gar nichts oder sehr wenig ankommt. Wie geht das zusammen? Diese Grafik erklärt's.

#Berichtet

Welche Chancen und Gefahren bringt Corona für die Demokratie? Dazu unser wissenschaftlicher Leiter Leonhard Dobusch im Interview mit Radio Agora: https://cba.fro.at/454096

Steuerreform wegen Corona vorziehen? Das reicht nicht und vergisst viele, argumentiert Oliver Picek heute in einem Gastkommentar in der "Wiener Zeitung".

#Termine

HEUTE 20. Mai 2020, 19:00 Uhr: +2 Grad. Warum wir uns für die Rettung der Welt erwärmen sollten. Mit Helga Kromp-Kolb. Anmeldung: www.jungk-bibliothek.org/anmeldung

26. Mai 2020: Webinar: Corona-crisis: Views from across the Atlantic (Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche). https://wiiw.ac.at/webinar-corona-crisis-views-from-across-the-atlantic-e-473.html