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Budget: Neuaufstellung der Steuerstruktur erneut verpasst
Der Fokus im Budget 2022 verlagert sich weg von den finanziellen Folgen von Corona. Was aber fehlt: Eine grundlegende Änderung der Steuerstruktur, die Arbeit entlastet und Vermögen stärker besteuert.
Drei besonders große Herausforderungen kommen auf uns zu: die Bekämpfung der Klimakrise, der Abbau der Arbeitslosigkeit, und die Finanzierung der steigenden Lebenserwartung. Dafür werden die staatlichen Ausgaben steigen müssen. Deren Finanzierung bleibt jedoch ein ungelöstes Problem: Die Steuer- und Abgabenstruktur ändert sich trotz Steuerreform nicht nachhaltig.
Abgaben auf Arbeit und Konsum tragen weiterhin drei Viertel der gesamten Finanzierung des Staates. Nur knapp 9 von 100 Steuer-Euros kommen von Vermögen- oder Unternehmensgewinnen. Der Anteil von vermögensbezogenen Steuern an der staatlichen Finanzierung wird bei etwa 3 Prozent bleiben. Eine Erbschaft- oder Vermögensteuer fehlt weiterhin, die Grundsteuer bleibt im internationalen Vergleich sehr niedrig. Unternehmenssteuern werden aufgrund der Senkung der Körperschaftsteuer sogar nur mehr 5,4 Prozent statt 5,8 Prozent beitragen. Jährlich fehlen im Budget dadurch ab 2024 rund eine Milliarde Euro, bis 2030 sogar 7,6 Milliarden.
Nur Unternehmen dauerhaft entlastet
Unternehmen und deren Eigentümer:innen sind damit eine der wenigen Gruppen, die künftig weniger zur Finanzierung des Staates beitragen. Die Steuerreform sieht zwar Entlastungen für Arbeitnehmer:innen und Unternehmen vor. Das Problem ist jedoch: Nur letztere ist dauerhaft. Die Senkung der KöSt von 25 auf 23 Prozent erspart den Unternehmen bis 2028 rund fünf Milliarden Euro, die dem Staat an Einnahmen fehlen werden.
Arbeitnehmer:innen werden durch die Senkung der Lohnsteuer bis zum Jahr 2026 mit gut 4,5 Milliarden Euro entlastet. Bereits im ersten Jahr nach der Steuerreform wirken dieser Entlastung aber reale und kalte Progression entgegen. Während erstere in unserem Steuersystem erwünscht ist, erhöht die kalte Progression den persönlichen Steuersatz durch die Inflation.
Bereits im Jahr 2027 holt die kalte Progression die Entlastung durch die Steuerreform ein. Die durch die Senkung der ersten drei Tarifstufen verlorenen Staatseinnahmen sind bis dahin wieder kompensiert. Der Einnahmeverlust durch die KöSt-Senkung hingegen ist permanent, also ein Steuergeschenk für große Unternehmen. Die Finanzierung des Sozialstaates wird damit umso mehr dem Faktor Arbeit überlassen.
Unsere ausführliche Analyse zum Budget 2022 gibt es hier:
Das Budget 22 verlagert den Fokus weg von Corona. Doch zentrale Herausforderungen bleiben ungelöst.
#Hausgemachter "Fachkräftemangel"
Unternehmen beklagen, keine Mitarbeiter:innen zu finden. Dennoch bieten gerade jene Branchen mit vermeintlichem „Arbeitskräftemangel“ keine höheren Gehälter an. Das zeigt eine Analyse des Momentum Instituts, die beim AMS inserierte offene Stellen in den Berufen Koch/Köchin, Kellner:in, Bäcker:in sowie Backshop-Verkäufer:in, Friseur:in und Reinigungskraft untersucht.
Für die Hälfte der offenen Stellen wird nur das Mindest-Kollektivvertragsgehalt oder weniger angeboten. Bei den meisten Berufen wird in weniger als einem von zehn Stelleninseraten ein Gehalt über EUR 2.000 brutto pro Monat (entspricht in etwa EUR 1.500 netto) ausgeschrieben.
Findet ein Unternehmen nicht ausreichend Mitarbeiter:innen, müsste es den Gesetzen des Marktes folgend die Löhne erhöhen oder die Arbeitsbedingungen verbessern. Diese Reaktion bleibt momentan bei vielen Unternehmen aus. Der Mitarbeitermangel ist damit bei einem Teil der Betriebe hausgemacht.
#Paper der Woche
Drei Mikroökonometriker haben diese Woche den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften gewonnen. Einer von ihnen, David Card, hat besonders zur Forschung rund um Mindestlöhne beigetragen, in die Momentum-Ökonomin Lisa Hanzl im #PaperderWoche Einblicke gibt. Das ganze Paper kann man hier nachlesen.
Bereits in den 1990er Jahren haben David und Krueger (1995) anhand eines Beispiels in den USA gezeigt, dass ein höherer Mindestlohn nicht zu niedrigerer, sondern sogar zu höherer Beschäftigung führen kann. 3/10 davidcard.berkeley.edu/papers/njmin-a…
— Momentum Institut (@mom_inst)
1:03 PM • Oct 11, 2021
Wie sich der Mindestlohn auf die Beschäftigung auswirkt, hat Card anhand eines „natürlichen Experiments“ zwischen zwei US-Bundesstaaten untersucht: Während in New Jersey 1992 der Mindestlohn erhöht wurde, blieb er im benachbarten Pennsylvania gleich. Warum Fast-Food-Restaurants für diese Untersuchung besonders spannend sind, erklärt Momentum-Ökonomin Lisa Hanzl im Moment Magazin.
Wer in einem Fast Food-Restaurant Burger brutzelt, wird selten über dem gesetzlichen Mindestlohn bezahlt. Was aber passiert, wenn der steigt? Die Antwort hat in den 90ern eine ganze...
#Momentum in den Medien
Über das Budget 2022 berichtet die ZIB2. Momentum-Chefökonom Oliver Picek kritisiert, dass die budgetierten Mittel viel zu gering sind, um die anstehenden Herausforderungen – Klimakrise, hohe Langzeitarbeitslosigkeit, demografischer Wandel – in Angriff zu nehmen.
Wer von der Steuerreform profitiert, fragt nön.at und zitiert das Momentum Institut: „Beschäftigte in höheren Einkommensstufen dürften besonders hohen Profit daraus ziehen“. Über die Senkung der Körperschaftssteuer als „teures Unternehmenszuckerl“ schreibt der „Standard“.
Auch das „Profil“ hat sich die Steuerreform genau angeschaut. Dass der CO2-Preis für Lenkungseffekte hin zu klimafreundlichen Verhalten zu gering ist, „untermauern Berechnungen des Momentum Instituts“.
Steuern sind kein rausgeworfenes Geld, sie ermöglichen unseren Wohlstand, schreibt Barbara Blaha in einem Gastkommentar in den Salzburger Nachrichten. Aber wir müssen umstrukturieren: Arbeit entlasten und Ressourcenverbrauch und Vermögenserträge stärker besteuern.
Darüber, dass der "Fachkräftemangel" zum Teil hausgemacht ist, berichtet die "Presse" und zitiert Momentum-Ökonom Mattias Muckenhuber, der erklärt: Bei einem Mangel an Arbeitskräften, marktwirtschaftlichen Gesetzen folgend, müssten "die Unternehmen ihr Angebot nachbessern" – und die Löhne erhöhen.